Montag, 22. Dezember 2008

Zwerge von Amboss

Zwerge, Menschen und Hobbits – ach nein Halblinge – auch Elben – nein Elfen. Thomas Plischke hat sich nun wirklich keine völlig neue, bisher unbekannte Welt ausgedacht. Wir sind auch nicht in Mittelerde sondern in Zwergenbund (Manchmal auch in den Zerrissenen Reichen). Die Menschen haben sich durch ständige kriegerische Auseinandersetzungen schon fast selbst zugrunde gerichtet, das Volk der Halblinge ist beim „Hammerschlag“ beinahe ausgerottet worden und die Zwerge haben sich zur moralisch und technologisch führenden Rasse entwickelt. Das ganze spielt in fast modernen Zeiten, wobei diese eher an eine Diktatur als an eine Demokratie erinnern.
Zunächst verlaufen drei Erzählstränge parallel: Garep Schmied ein Zwerg und Kriminalinspektor (Sucher) muß brutale und sehr prominente Morde klären, Siris ein Mensch und Großwildjäger macht sich auf die Suche nach seiner Schwester und der Zwerg Himek Steinbrecher ein Chirurg (Leiböffner) ist in einer Heilanstalt mit fragwürdigen und unzwergischen medizinischen Forschungsexperimenten konfrontiert. Die Wege der Protagonisten kreuzen sich und bilden fortan eine Zweckgemeinschaft um mysteriöse Machenschaften aufzudecken.
Wer, wie ich eine Parabel auf den Zustand unserer heutigen Zeit erhofft hat, wird entäuscht. Man wird zwar den Verdacht nicht los, als hätte der Autor dies durchaus im Sinn gehabt. Aber das Ergebnis ist einfach zu flach und die Figurenkonstellationen zu schlicht und vorhersehbar. Die Schwarz-Weiß-Charaktere waren auch schon beim „Herrn der Ringe“ ärgerlich, aber hier bleibt Plischke leider konsequent beim großen Vorbild.
Ich habe mich beim Lesen etwas gelangweilt, obwohl das Buch flüssig geschrieben ist und eigentlich auch Themen streift, wie Grenzen für wissenschaftliche Forschung oder Manipulation in der Demokratie, die mich sonst interessieren. Vielleicht bin ich ja zu alt für solche „Jugendbücher“, denn mein Sohn (15) hat es sehr gern gelesen.

Freitag, 12. Dezember 2008

Dem Tode nah

Um es vorwegzunehmen: „Dem Tode nah“ von Linwood Barclay ist kein literarisches Meisterwerk. Die Nachbarn der Cutters werden ermordet. Ihr Sohn Derek gerät unschuldig unter Verdacht und sein Vater beginnt selbst zu recherchieren. Er stößt dabei auf jede Menge Abgründiges bei den honorigen Bewohnern des kleinen Ortes aber auch in der eigenen Familie. Klar führt dies zu vielen Handlungssträngen, die den Leser immer wieder auf eine andere Fährte führen sollen.
Hier beginnt aber auch schon die große Schwäche des Thrillers. Er ist einfach zu offensichtlich konstruiert. Man schüttelt mehr als einmal beim Lesen den Kopf über nicht plausible Handlungen der Akteure, die vorhersehbar zu Komplikationen führen. Auch der Täter und sein Motiv sind selbst für einen unerfahrenen Krimileser, wie mich, schnell nach dem ersten Auftauchen klar. Spannend bleibt es trotzdem, zumindest in Bezug auf das Schicksal der Familie Cutter.
Eine Sache hat mich jedoch beim Lesen sehr gestört. Man wird stellenweise vom Autor behandelt, wie ein Vollidiot, als könnte man sich einen Vorgang nicht über 20 Seiten merken. Ein zuvor beschriebener Sachverhalt wird, wenn er dann für die Geschichte relevant wird gleich noch einmal (für die Schlafmützen unter den Lesern) erläutert.
Die Personen sind eigentlich sehr schablonenhaft, aber irgendwie entwickelt man doch Sympathien für die beiden Männer der Familie, wogegen die Mutter bis zuletzt fremd und befremdlich bleibt. Eine Story, die man flüssig an zwei Abenden gelesen hat und mit einem zufriedenem „nun gut“ weglegt. Kein Buch, das man unbedingt gelesen haben muß, aber auch keine Zeitverschwendung.

Donnerstag, 4. Dezember 2008

All you need is love

Pierre Bottero
Meister der Stürme

Der zweite Teil des Kampfes von Shaé und Nathan gegen das Böse war für mich der erste. Und gleich vorweg: es ist nicht sinnvoll beim Lesen so vorzugehen. Es handelt sich nicht um eine abgeschlossene Geschichte und deshalb die Empfehlung zunächst „Das achte Tor“ zu lesen.

Aber trotzdem es hat Spaß gemacht. Die Geschichte ist vielschichtig, für mich voller Überraschungen, sehr schnell und dicht erzählt. Die beiden Hauptakteure hetzen um die ganze Welt von einem Abenteuer zum nächsten, bewähren sich mal mehr, mal weniger und schlittern von einer Vertrauenskrise in die nächste. Das hört sich vielleicht ein wenig zu gewollt an, ist aber sehr gut geschrieben und wirkt deswegen nie langweilig oder trivial.

Und Liebe und Vertrauen sind auch das Hauptmotiv in diesem Roman. Dieses Tasten, Zurückschrecken, Lernen und letztlich Lieben zweier junger Leute ist schon schön zu verfolgen, auch wenn ich eigentlich nicht mehr zur klassischen Jugendliteraturklientel gehöre.

Es ist ein Fantasieroman mit einigen Anleihen bei den Klassikern dieses Genres, aber mit noch mehr eigenen Kreationen und Situationen. Es war wohltuend endlich mal keinen Elben, Zwergen und Trollen zu begegnen.

Ich bin kein Fan und auch keiner geworden, aber dieses Buch kann ich empfehlen und sicher werde ich auch den letzten Teil lesen.

Montag, 10. November 2008

Vorurteile überall

John le Carré zeigt auch in seinem neuen Roman „Marionetten“, dass er der unumstrittene Meister des Spionageromans ist. Im Mittelpunkt steht Issa, ein junger Mann mit russisch-tschetschenischer Abstammung, der als Flüchtling in Deutschland landet und hofft hier die deutsche Staatsbürgerschaft zu bekommen und auch Medizin studieren zu können. Seine Hoffnungen scheinen nicht unbegründet, da er Anspruch auf eine größere Summe Geld hat, welches bei einer englischen Bank hinterlegt ist. Der erste Reflex macht Issa zu einem verdächtigen Islamisten, aber bald wird dem Leser klar: bei Issa handelt sich es um einen herzensguten Jungen, der schon früher Opfer von ethnischen Vorurteilen, Polizeiverfolgung und auch Folter war. Und auch in Deutschland wird er zum Spielball der Geheimdienste.
Le Carré baut eine atmosphärisch dichte und bis zum Schluß spannende Geschichte, in der fast Niemand Herr seines Handelns bleibt. Die sprachlichen Mittel des Autors sind gewaltig und die psychologische Entwicklung der wichtigsten Protagonisten wird eindringlich und plausibel gezeichnet. Die Handlungsverläufe scheinen zwingend und unabwendbar.
Während die verschiedenen Sparten der Spionage-und Nachrichtendienste Europas sich gegenseitig austricksen, behindern und sich dabei auf die Schulter klopfen, läßt der amerikanische Geheimdienst den Rechtsstaat beiseite und setzt sich zur Wahrung amerikanischer Interessen über alle Vereinbarungen hinweg. „Amerikanische Gerechtigkeit,...Gerechtigkeit, die nicht lange fackelt.“ Ob dies nun wieder nur die Bedienung eines Klischees ist, kann ich nicht sagen, aber ich empfehle dieses Buch jedem, der Lust hat über seine eigenen Vorurteile nachzudenken.

Montag, 20. Oktober 2008

Der nützliche Freund

"Der nützliche Freund" von Ulrich Wickert ist wohl schon der dritte Teil einer Reihe um den Pariser Richter Jacques Ricou, aber der erste, den ich gelesen habe. Es ist ein auf Tatsachen beruhender politischer Krimi. Und der ist zweifellos spannend und rassant geschrieben.
Der ehemalige Geheimagent Marc Leroc wird ermordet, nachdem er angekündigt hatte in seiner Biografie, die wahren Hintergründe beim Skandal um den Verkauf der Leuna-Raffinerie offenzulegen. Es entwickelt sich eine spannende Geschichte mit Raum für Zwischenmenschliches, Liebe, Freundschaft und Verrat.
Was mich jedoch an dieser Story wirklich begeistert hat, ist die Verknüpfung der bekannten Parteispendenaffäre um Helmut Kohl und die CDU, welche nie aufgeklärt wurde und dem in Sachsen sehr umstrittenen Korruptionsvorwurf im Politik- und Justizumfeld, welcher dem Innenminister Buttolo fast den Stuhl gekostet hätte. Nach einem spektakulären Auftakt verliefen die Ermittlungen nach und nach im Sande und verschwanden wieder aus den Medien. Richter Ricou hat ganz sicher recht, wenn er sagt: "Es gibt eine zweite Welt, von der ein normaler Mensch nie etwas erfährt. Die Verteilung der Macht und Ihrer Pfründe findet dort satt."
Ullrich Wickert macht seinem Leser deutlich, wie wenig wir über diese andere Seite wissen und wieviel Geld hier für wahre Macht zur Verfügung steht. Beim Lesen fallen einem alle hier zusammengeführten Zeitungsmeldungen und Schlagzeilen wieder ein, die man in der heutigen Informationgesellschaft sofort zugunsten neuer Nachrichten wieder "vergessen" hatte. Es macht einen riesigen Spass immer weiter zu lesen und man bleibt am Ende mit einem Gefühl der Verstörung und Machtlosigkeit zurück. "Die in diesem Roman geschilderten Ereignisse beruhen auf gründlicher Recherche. Das Bemerkenswerte an dem größten Korruptionsskandal der deutsch-französischen Geschichte ist die Unauffälligkeit, mit der er zu den Akten gelegt wurde."
Dieses Buch ist unglaublich, und leider keine Fiktion.

Samstag, 11. Oktober 2008

Vor mir der Tag und hinter mir die Nacht

Der Inhalt des Buches "Vor mir der Tag und hinter mir die Nacht" von Jakob Hein ist mit zwei Sätzen gar nicht so einfach zu beschreiben. Es sind eigentlich drei (fast vier) kurze Geschichten über Sinnsuchende, Liebe und Enttäuschung, und ein bisschen über fast alles. Dabei haben alle leicht die Kraft einen ganzen Roman zu ergeben. Am Ende verlangt es einem nach mehr und man beklagt, dass der Text nur gut 170 Seiten umfaßt. Denn dieser Jakob Hein kann schreiben. Es ist ein durchgängiges Vergnügen seinen Ideen, Beschreibungen und philosphischen Betrachtungen zu folgen. Es steckt voller anregender machmal auch skuriler Gedanken, die es alle Wert sind gedacht, aufgeschrieben, gelesen und weitergedacht zu werde. Dieses kleine Buch läßt seinen Leser reicher und auch klüger zurück ohne dabei im geringsten zu langweilen. Einfach großartig und sehr zu empfehlen.

Freitag, 10. Oktober 2008

Die Bucht am Ende der Welt

Sergio Bambaren ist mir mit „Die Bucht am Ende der Welt“ zum ersten Mal begegnet. Der in Peru geborene Autor scheint durch die ganze Welt zu reisen, um endlich den Sinn des Lebens zu finden. Diesmal landet er in Tobago, einer traumhaft schönen Karibikinsel um sich dort beim Surfen zu entspannen. Wegen fehlender Wellen entscheidet er sich eher notgedrungen für das Tauchen in den vorgelagerten Korallenriffe. Wer selbst schon einmal getaucht ist, kann seine Begeisterung über die sich hier darbietenden Unterwasserwelt sofort nachvollziehen. Bambaren schreibt leicht und flüssig. Seine bildhafte Sprache läßt den Leser in die paradiesische Inselwelt eintauchen und seine Unterwassertouren hautnah mit erleben.
Wenn doch nur die allzu schlichten Lebensweisheiten nicht wären. Man begegnet ihnen an jeder Ecke. Das an vielen Taxifahrern kleine Philosophen verloren gegangen sind, überrascht nicht mehr. Aber dass hier auch die Frühstückskellnerinnen und Tauchlehrer nur in druckreifen Weisheitsfloskeln sprechen, macht die kurze Geschichte unglaublich gekünstelt und hat mich sehr gestört. Der Höhepunkt der Geschichte, eine Begegnung mit den „Engeln des Meeres“, war mir dann auch wirklich viel zu esoterisch. Eher lustig sind seine Momente der Selbstüberwindung und Mutproben. Er taucht an küstenfernen Stellen (hat einen "open water"-Tauchschein) und stürzt sich todesmutig in den Linksverkehr (hat jahrelang in Australien gelebt). Bambaren kommt am Ende zu einer wirklich „großen“ Lebensweisheit: Das Wichtigste ist die individuelle Freiheit des Einzelnen. Sagt es und geht endlich surfen.
Das Buch verleitet aber ganz nebenbei zum eigenen Nachdenken über Ziele im Leben und echtes Glück. Auch wenn meine Ergebnisse deutlich von den Erkenntnissen des Autors abweichen, habe ich das Buch durchaus mit einem Gefühl der Zufriedenheit beendet. ... Und das ist nicht das Schlechteste, was man über Lieratur sagen kann.

Firmin - ein Rattenleben

Ein wirklich sehr schönes Buch.
Dies ist tatsächlich der Kaufgrund. Schönes Cover und ungewöhnlicher Schnitt. Aber es ist nur die äußere Form für eine wirklich gut geschriebene Geschichte. Die "Leseratte" Firmin verschlingt Bücher und dies in jeder Beziehung. Bücher sind ihr Leben, sie kennt das Leben auch nur aus Büchern. Ein sehr interessanter Bummel durch die großen Werke der amerikanischen (nicht nur) Literatur. Firmin lebt in ihren Geschichten während die wahre Welt um sie herum versinkt. Sie ist weder in der Lage mit Ihresgleichen noch mit den "intelligenten" Menschen zu kommunizieren. Trotz großartiger Sprache entsteht keine echte Spannung und auch die Charaktere bleiben, bis auf Firmin, blass und schemenhaft. Das wirkliche Leben fehlt in diesem Buch. Aber vielleicht ist genau dies die wichtigste Botschaft: Bücher allein sind nicht das Leben.