Donnerstag, 8. Januar 2009

Mehr "Frauenliteratur" geht nicht

Mal ehrlich: Ohne "wärmste Empfehlung" hätte ich dieses Buch nicht in die Hand genommen. Romantische Liebesgeschichten sind nicht meine Sache (und romantische Vampir- Liebesgeschichten schon gar nicht). Aber wenn schon einem Buch von Stephenie Meyer eine Chance geben, dann einem wo Sci-Fi-Aspekte vorkommen und in dem es anscheinend eine Spur unromantischer zugeht. Die Grundkonstellation des Buches "Intelligente Außerirdische nutzen die Menschen als Wirtskörper" bietet auch eine faszinierende Ausgangsbasis für eine spannende Geschichte. Aber: Es ist durch und durch ein Buch über Frauen und für Frauen. Als Mann muss man sich durch dieses Buch durchkämpfen. Dabei ist der Roman manchmal durchaus spannend und auch leicht lesbar, aber eben auch hochgradig romantisch und extrem gefühlsbetont. Die Geschichte der Seele Wanda und ihrem Wirtskörper Melanie entwickelt sich vorwiegend von einer Emotion zur nächsten. Die detailreiche Beschreibung des Seelen-Zustandes wird abgelöst durch die Beschreibung von Melanies Gefühlen, diese abgelöst durch Wandas Gefühle für Jamie, diese durch Wandas Gefühle für Jared; diese durch Melanies Gefühle für Jared etc.. Interessant wird es, wenn Wanda von ihrer Herkunft und ihrem Leben als Seele berichtet. Die Seelen sind nicht bösartig oder alles vernichtend. Ihr Überleben hängt von einem Wirtskörper ab und da ihnen die Menschen als rückständig und gewalttätig erscheinen, sind sie aus deren Sicht die perfekten Wirte. Technische Details des medizinischen oder Raumfahrtwissens der außerirdischen Spezies sind dabei unwichtig und habe ich auch nicht vermisst. Man kann den Konflikt der zwei "Geister" in einem Körper sicher auf philosophische Themen projizieren, auf das Mit- und Gegeneinander unterschiedlicher Spezies und natürlich auch das menschliche Miteinander der Gegenwart. Nur durch eine Ausnahmesituation werden beide gezwungen, das andere Wesen wahrzunehmen, kennenzulernen, zu verstehen und ihm Verständnis entgegenzubringen. Aber ein wenig mehr Story und etwas weniger Gefühl (Wanda mit ihrem permanenten Uneigennutz nervt gelegentlich) hätten dem 800 Seiten starken Roman aus meiner Sicht durchaus gut getan. Ich empfehle dieses Buch allen Frauen und Mädchen und wünsche ein schmachtendes Lesevergnügen.

Schön traditionell

Das Buch "Der norwegische Gast" von Anne Holt handelt von einem Zugunglück bei dem der Lockführer stirbt. Alle übrigen Reisenden werden gerettet und in einem nahegelegenen Hotel untergebracht. Und während draußen ein Schneesturm noch nie dagewesenen Ausmaßes tobt und die Reisenden das Hotel nicht mehr verlassen können, geschieht ein Mord. Was will man mehr: eine spannende und interessante Ausgangssituation mit vielen verschiedenen zwangsweise zusammengewürfelten Menschen. Da dies mein erstes Buch von Anne Holt ist, war mir ihre Kommissarin zuvor unbekannt. Ich empfand es jedoch als Vorteil den bisherigen Weg der Hauptfigur nicht zu kennen. Die jetzige Lebenssituation der ehemaligen Polizistin ist bedrückend und faszinierend zu gleich und ist ideal für die sich entwickelnde Geschichte. Einerseits versucht sie zu Beginn sich der Gemeinschaft zu entziehen, andererseits weiß sie, dass sie zur Lösung des Falles gebraucht wird. Mehrmals droht die Lage zu eskalieren, was auch durch das aufkommende Gerücht eines besonders bewachten Zugwaggons (man vermutet königliche Reisende) nicht vereinfacht wird. Auch die Nebenfiguren sind vielschichtig und interessant gezeichnet. In dieser Extremsituation entwickeln sich einige der Protagonisten zu Egoisten, zu ¿kleinen¿ Helden oder auch zu gefährlichen Wortführern. Man kann mit einigen Figuren mitleiden, sich über andere wundern und man ist immer dabei mitzurätseln, wer warum wen ermordet hat. Die Lesefreude wird jedoch maßgeblich durch sich ständig wiederholenden Schreibfehler getrübt. Mal heißt eine Hauptfiguren "Magnus Streng" dann wieder "Magnus Berg". Eigentlich wird jeder von jedem geduzt, doch ab und zu verfallen manche Protagonisten in ein unerklärliches "Sie". Schade, hier muß der Verlag sich Kritik gefallen lassen. Insgesamt hat mir das Buch jedoch sehr gut gefallen und ich empfehle es allen, die alte klassische Krimis a la Agatha Christie lieben.

Norwegen hat endlich auch einen Serienmörder

Der "Schneemann" von Jo Nesbo ist ein moderner nordischer Krimi. Das sagt leider schon eine ganze Menge. Ein Serienmörder treibt in Norwegen sein Unwesen und tötet mit Vorliebe Frauen. Der Kommissar ist ein beziehungsgestörter Einzelgänger mit persönlichen Problemen (natürlich auch Alkoholproblemen), diesmal ist die Frau nicht tot sondern nur bei einem anderen Mann, aber sonst ist er ein genialer Ermittler unter lauter Bürokraten. Und der Fall wird immer mehr zu einer ganz persönlichen Angelegenheit. Eigenartiger Weise hat mich das aber gar nicht gestört. Ich habe das knapp 500seitige Buch in zwei Tagen gelesen. Es war einfach interessant, manchmal anrührend und letztlich auch nicht langweilig. Diese Spannung gründete jedoch nicht auf einen unbekannten Täter. Diesen ahnte man leider schon nach wenigen Seiten. Es waren vielmehr die kleinen Geschichten, die sich als ermittlungstechnische Sackgassen herausstellen, welche den Roman tragen und lesenswert machen. Diese handeln von Lüge, Täuschung und Vertrauen. Ich glaube aber auch, aus dem Thema "Lebenslüge" wäre noch mehr zu machen gewesen. Die Charaktere von Verdächtigen, Opfern, Angehörigen und Kollegen sind häufig nur schemen- und klischeehaft gezeichnet. Das ist sehr schade, denn an den schriftstellerischen Möglichkeiten Nesbos liegt es sicher nicht. Vielleicht liegt es am Thema Serienmord, dass kaum Zeit für lebendige Figuren bleibt. Ein paar Opfer sind so schnell tot, dass nicht einmal der Name in Erinnerung bleibt und darüber hinaus sind sie für die Geschichte auch unwichtig. Dem Hauptkommissar Harry Hole wird an einer Stelle vorgeworfen, dass er überall Serienmorde sieht, weil er auf Grund einer diesbezüglichen Sonderausbildung überall welche sehen will. Vielleicht hat ja auch Nesbo an einem ähnlichen Kursus für Schriftsteller teilgenommen. Insgesamt ein Buch für lange Winterabende, an denen man kein anders Buch zur Hand hat. Ich kann mir auch gut vorstellen es noch mit einem anderen Buch von Nesbo zu versuchen.

Auto"fick"tion

Obsession von der Japanerin Hitomi Kanehara ist die Geschichte einer jungen Frau aus deren Leben vier Abschnitte erzählt werden und zwar mit 22, mit 18, mit 16 und zuletzt mit 15 Jahren. Die Protagonistin Rin ist selbst Autorin (ungefähr im Alter von Kanehara) und wird durch ihren Verleger gebeten eine Autofiktion zu schreiben. Rin hat gerade eine Kurzgeschichte über eine Eifersuchtsszene im Flugzeug vorgelegt, die beim Verlag wohl auf allgemeine Zustimmung gestoßen ist. Diese Kurzgeschichte ist auch gleichzeitig der Beginn des vorliegenden Buches. Und sie ist wirklich gut. Sie zeigt eine gerade frisch verheiratete Frau, die es vor Eifersucht fast zerreißt. Taumelnd zwischen überschäumender Liebe zu ihrem Mann und maßloser Eifersucht entsteht eine Story von Loriotschen Qualitäten, die, ob freiwillig oder nicht, sehr komisch ist und sich auch flüssig liest. Dann folgt aber oben genannte Autofiktion und das Buch wird schlagartig schwer lesbar, sehr gewollt und einfach langweilig. Eine offensichtlich gestörte junge Frau, die hier aber als moderne Vertreterin ihres Geschlechts präsentiert wird erzählt ihr nicht nachvollziehbares und eben leider auch uninteressantes Leben. Auch durch eine ordinäre Wortwahl bekommt der Roman keinen rebellischen Anstrich. Diese ¿schlimmen Tabus¿ wurden scheinbar schon vor über 20 Jahren gebrochen. Mag sein, daß in Japan diese sexuelle Revolution noch Literaturpreise aufs Tapet hebt, aber bei mir hinterläßt es nur ein ausgiebiges Gähnen (und mit jeder Seite leider auch mehr Unmut). Ich persönlich glaube, daß die Autorin (die richtige) dem Leser leider rein gar nichts zu sagen hat und nur kommerzielle Literatur produziert, die sie für POP hält. Leider kann ich diese belanglose, verschwitzte Altherrenliteratur nicht wirklich empfehlen. Obwohl, die anfängliche Flugzeugkurzgeschichte ist in gewisser Weise geeignet, über die Mühsal des Lesens hinwegzutrösten.

Im Strudel der Ereignisse

Das Schiff von Máni ist ein sehr spannender Krimi. Der Leser hat immer das Gefühl genau Bescheid zu wissen und wird doch Stück für Stück tiefer in die Geschichte reingezogen. Neun Männer sind auf dem Frachter "Per se" unterwegs von Island nach Surinam in Südamerika. Alle haben ihre Vorgeschichte oder Geheimnis mit an Bord gebracht. Es geht um Liebeskummer, Spielschulden, Drogen, Meutereipläne und auch Mord. Menschen, die auf engstem Raum auf einander angewiesen sind, hintergehen und belügen sich aus den unterschiedlichsten Gründen. Vertrauen, Respekt und Autorität gehen verloren und verändern sich. Der Anfang vom Ende. Schon der Prolog deutet einen unromantischen Ausgang der Geschichte an. Aber das Buch ist so viel mehr als das zwangsläufige Zusteuern auf ein verhängnisvolles Ereignis. Es zeigt eindrucksvoll, wie Menschen mit unterschiedlichen Charakteren und Fähigkeiten in extremen Situationen reagieren. Aber das beschreibt nicht annähernd was man als Leser in diesem Buch vorfindet. Die Geschichte gerät in einen Strudel von Ereignissen. Die Realität verschwimmt immer mehr mit Wahnvorstellungen und wenn man glaubt einen Hoffnungsschimmer zu erkennen, wird es noch dramatischer. Bei Gefahr fürs eigene Leben scheinen sich die niedrigsten Instinkte des Menschen zu bewähren. Die Erzähltechnik mit ständigem Perspektivwechsel und Sprüngen auf der Zeitachse hält einen in atemloser Spannung. Beim Weglegen des Buchs, und man schließt es erst mit der letzen Seite, bleibt man sprachlos, begeistert aber auch etwas ratlos zurück. Das Buch ist eine echte Entdeckung und eine klare Leseempfehlung.